Was die meisten Leute von uns mitbekommen sind meist relativ lebendige
Auftritte, die oft gut besucht sind. Wir möchten euch hier aber auch mal
kurz einen Eindruck vermitteln, was bei uns vorher so abläuft. Im Anschluss
daran könnt ihr dann den Tourbericht lesen.
Als Ort für unsere Endprobenphase hatten wir uns die "Garage" in Mitte
ausgeguckt. Das ist eine Art Hinterhofremise, die nur wenig genutzt wird,
eine Kochnische hat und genug Platz, um unser komplettes Geraffel da
auszupacken und aufzubauen. Vorhänge, Bühnenkonstruktion und Musikpodest
sind zu diesem Zeitpunkt schon fertig ("...hoch lebe unter anderen Niko und
seine filigranen Fähigkeiten..."). Viele andere Dinge müssen sich noch finden,
werden noch gefertigt und/oder gekauft/besorgt. Wir starten mit der 9-köpfigen
Darsteller_innen-Crew plus Phil und Jörg an der Regie, sowie Dirk als
Regieassistenz und verschiedenen täglich wechselnden Köch_innen, die wir gefragt
hatten, ob sie uns lecker bekochen und somit wesentlich unterstützen können.
Das klappt auch echt klasse und wir sagen an dieser Stelle nochmals DANKE für
den netten Support. Im Mai revanchiert sich die Revolte und kocht für euch!
Die Tage beginnen fast alle um 10 Uhr früh und enden in der Regel zwischen 22
und 0 Uhr. Die Textfassung des Stückes steht weitestgehend (auf dem Papier),
die Musikstücke sind (auf dem Papier) meist auch schon fertig, aber eher wenig
geprobt. Jede_r sollte eigentlich mit gelerntem Text am Start sein, aber das
ist natürlich nicht so bei allen, weil da das richtige Leben im Vorfeld so
manch andere Priorität gesetzt hat.
Also fangen wir an, Szene für Szene anzulegen, wer kommt von wo, wie sehen die
verschiedenen Orte in unserer Kleinstadt auf der Bühne aus, etc. Unsere
angedachte Drehtür erweist sich dabei als Bühnenbildvolltreffer und wir haben
viel Spaß beim Entwickeln. Apropos "Entwickeln" - unser Stück entwickelt sich
und entsteht seit 2 Jahren. Die Endprobenphase ist eigentlich "nur" die
Fertigstellung und der letzte Schliff. Aber es ist müßig. Ständig plagt uns
Müdigkeit, Konzentrationsmangel, mal etwas Krankheit, mal die unerledigten
Dinge, die außerhalb unseres Projektes einfach so weiterlaufen oder auch ins
Stocken geraten sind.
Nach den ersten drei Tagen sind einigen schon deutlich die ersten Stressspuren
in Körperhaltung und Gesichtsausdruck anzumerken. Aber wir beißen weiter. Um
einen internen Austausch zu gewährleisten, versuchen wir täglich ein
sogenanntes "Blitzlicht" zu machen. Das bedeutet, daß jede_r die Gelegenheit
hat, sich zum eigenen Befinden und zu dem, was nervt, stört oder auch toll
ist, zu äußern. Auf diese Art gibt es beispielsweise immer ein Wissen um
entstehende Konflikte, aber auch um Befindlichkeiten, auf die dann sensibler reagiert
werden kann. Das Blitzlicht ist bei Revolte Springen eine feste Institution
geworden und wir würden allen Gruppen, die verbindlich miteinander arbeiten
wollen, empfehlen, so etwas ähnliches bei sich einzurichten. Oberste Regel
dabei: Niemandem wird reingequatscht, wenn er oder sie erzählt.
Nach fast 9 straight durchgezogenen Probetagen, nehmen wir uns einen kompletten
Tag Pause, obwohl absehbar ist, daß es zur Premiere hin eng wird mit dem
"Durchkommen". Aber es muss sein, weil die Kräfte teilweise gar nicht mehr
vorhanden sind. Immerhin überstehen wir diese erste Phase ohne größere
"Eklats". Die Gruppe funktioniert also recht gut. Wir kennen auch andere noch
anstrengendere Dynamiken. Pit ist mittlerweile auch zu uns gestoßen. Er wird
sich von hier an um das Licht kümmern und zusammen mit Phil noch die eine oder
andere Nachtschicht zusätzlich einlegen, um das "Scheißpult" zu
programmieren. Etwa 80 verschiedene Einstellungen sind dazu nötig. Gar nicht so
einfach, wenn mensch noch nie "Licht gemacht" hat... Hut ab, mein Lieber!
Wir rennen mit Macht auf unsere Premiere zu. Wir machen fast jeden Tag einen
"Durchlauf", das heißt, daß wir das Stück von vorne bis hinten so gut wie
möglich durchspielen... dabei wackelt eigentlich jedes Mal fast alles. Die
Songs klingen manchmal katastrophal bis scheiße. Die Texte sitzen nicht. Die
Übergänge sind zäh und fließen nicht. Da stellt sich dann schon auch öfter mal
die Frage, was wir hier eigentlich machen... und tatsächlich kommt manchen auch
Zweifel daran, ob dieses Stück überhaupt ein gutes Stück wird. Ich persönlich
bin kurz vor der Premiere davon nicht wirklich überzeugt. Sind wir inhaltlich
nicht zu flach? Wo wir doch soviel drüber diskutiert und reingesteckt haben...
aber ist das am End auch sichtbar?? Doch wie zu erwarten verbessert sich alles
täglich, auch wenn beispielsweise unsere Saxophon/Trompete/Posaune-Crew uns
jedes Mal aufs Neue mit verfehlten Einsätzen oder schrägen Tönen verblüfft und
verunsichert. Oft ist da das Gefühl, daß wir uns viel zu viel vorgenommen
haben. Und selbst wenn wir jetzt die Premiere, ausgelaugt wie wir sind,
einigermaßen gut über die Bühne bringen, wie sollen wir danach bloß die 13
nächsten Auftritte wuppen, die ungebremst in den kommenden 17 Tagen auf uns
zurollen?! Unvorstellbar, aber es wird passieren. Am Donnerstag den 12.4.07
haben wir um 14 Uhr eine nicht wirklich überzeugende Generalprobe. Danach
packen wir stundenlang unsere Brocken zusammen, um sie am Tag darauf im RAW
wieder zur Premiere aufzubauen. Der späte Abend an diesem Tag ist halbwegs
frei. Der nächste Tag im RAW beginnt um 10 Uhr mit Aufbau. Dieser Aufbau
dauert hier noch etwa 2 - 3 Stunden, Licht einrichten nochmal länger. Am Ende
der Tour werden wir in der Lage sein, alles innerhalb von 2 Stunden zu
bewerkstelligen, wobei es immer neue Komplikationen gibt, die dann
diese Zeit meist unvorhergesehen verlängern... Um 20:15 Uhr ist das RAW mit 350 Leuten
mehr als voll (zwischen 100 und 200 Leute bleiben vor der Tür) und wir
beginnen, unser Stück zum ersten Mal aufzuführen!
- darauf haben wir die letzten 1 1/2 Jahre hingearbeitet.
Bis auf die Tatsache, daß wir ZU viele Leute reingelassen haben - die Luft ist zum
Schneiden und die Bequemlichkeit hält sich wohl sehr in Grenzen -, läuft das
erste Mal dann ganz gut und den meisten Leuten scheint's zu gefallen. Wir
wissen jedoch auch, dass wir das Stück in den kommenden 2 Wochen noch um
einiges auf Tempo bringen werden.
Nach der Aufführung beginnt das Abenteuer des Packens. Eigentlich wollten wir
mit zwei Bussen auf Tour fahren, allerdings gab einer davon einen Tag zuvor
seinen Geist auf. Kurzfristig noch einen Kombi aktiviert, es ist klar, das ganze
Zeug - Bühnenhintergrundvorhangskonstruktion, Schlagzeugpodest, die große
Holzkiste, Kostüme, Requisiten, Musikinstrumente, Lichtanlage, CDs und
sonstiges - MUSS in den Bus passen. Niko Packmeister hat das Wunder
vollbracht - nun wissen wir, die Tour kann beginnen.
Einen Tag haben wir noch in Berlin zum Sachen waschen, Packen und
Fingernägelschneiden, dann treffen wir uns am Montag an den Autos. Wird unser
Privat-Gepäck in den Kombi passen? Unglaublicherweise passt auch dies - niemand
muss zu hause bleiben.
ist nicht so weit und auch nicht so groß - wir finden das IKUWO auf Anhieb. Zunächst treibt uns der Hunger zum Imbiss, dessen Lage uns genau beschrieben wurde. Aus 7 min. Fußweg wird für einen Teil der Gruppe 20 min.; ham wa wohl doch einen anderen Imbiss entdeckt. Danach am Veranstaltungsort sind wir beim Aufbau auf uns gestellt - keine helfenden Hände mehr von Jörg, Phil, Dirk oder anderen. Natürlich schaffen wir es, Bühne und Licht aufzubauen, aber auch hier wissen wir: sobald wir eingespielt sind und nicht mehr über jede Schraube oder jedes Kabel plenieren müssen, wird's schneller gehen. Die Aufführung wird wesentlich ruhiger als in Berlin - vor allem ohne das Premierenfieber -, dafür ist die Stimmung sehr konzentriert und aufmerksam. Die netten Menschen, die uns veranstaltet haben, haben gute Kontakte zur Crew eines Plattbodenschiffs, eines ehemaligen Fischkutters. Sie laden uns für den nächsten Tag für einen Kurztrip Richtung Ostsee ein. Nachdem wir bei einem nächtlichen Plenum es doch noch geschafft haben, die Notwendigkeiten - Abbauen, Bus packen, Schlafen - und die Herzenswünsche - Bootfahren und Ausschlafen - zu sortieren, geht es für einige von uns am nächsten Tag auf's Boot. Juchhu: Sonne, Wind und Fischbrötchen sowie noch nebenbei ein Interview für das Lokalradio radio 98eins. Danke an die Kuttercrew!!!
auf ins JAZ. Der Raum ist groß genug, aber niedrig - zu niedrig? Nicht für uns. Nachdem Kampf der Bühnenbau-Superheld_innen mit den unter die Decke gehängten Tarnnetzen und störrischen Deckenbalken lässt sich unsere Vorhangskonstruktion (um wenige Zentimeter) doch noch in die Senkrechte bringen. Auf den Matratzen eines Schlafraums kommt es anschließend zu einem spontanen Kuschel-Herumalber-Gelage, das in dieser viel von Arbeit bestimmten Zeit bei den Beteiligten die Laune sehr hebt. Ansonsten steht hier in Rostock alles schon im Zeichen des G8 - natürlich das politische Thema Nr. 1. Die Aufführung ist okay - bis auf ein paar nervige betrunkene Dumpfbacken, die mit lauten und unpassenden Sprüchen, die hier bestimmt niemand lesen will, stören. Was uns vor das Problem stellt, wie wir darauf - während des Stücks(?) - reagieren können. In den Rollen oder aus der Rolle fallend? Bei einem Konzert ist es wesentlich leichter, auf Blödgequassel zu reagieren, wenn Du nämlich nicht gerade Feuerwehrmann oder Pastorin bist... Allerdings hätten auch die Menschen, die zugeschaut haben - und sich ebenfalls gestört fühlten -, schneller reagieren können(?). Nun gut, war alles nicht hyperdramatisch, das Lagerfeuer versüßt einigen noch des Ausklang des Tages.
Dieser Tag ist frei. Nach dem netten Frühstück mit den netten Menschen im JAZ: Plenum. Unterschiedliche Bedürfnisse - in Rostock bleiben, ans Meer oder ins Ferienhaus von Ankes Eltern fahren - und verschiedene persönliche Unstimmigkeiten/Traurigkeiten machen die Entscheidungsfindung "wann/wohin" nicht leicht. Die harte Probenzeit steckt allen noch in den Knochen. Die Entscheidung fällt zugunsten des Ferienhauses - also wieder ab in die Autos, 3 Stunden fahren, einkaufen, dann Ferienhaus entern. Ab zum See, ein bisschen Naturidylle kucken und spazierengehen, wobei es sich David nicht nehmen lässt, ins Wasser zu hüpfen, da er sich von so banalen Faktoren wie Kälte nicht die Umsetzung seiner Wünsche diktieren lassen will. Am Abend dann entspanntes Aufteilen in eine Spiele-, eine Quatsch- und eine Schlaffraktion.
ist nicht weit, jedoch schaffen wir es, dank ungenauer Anfahrtsbeschreibung und unkorrektem Plan, ziemlich viel von der Stadt zu sehen, bis wir schließlich doch noch in der Alten Meierei ankommen. Netter Empfang, keine bühnentechnischen Platzprobleme, ein sauheißer Bullerjanofen und Falafel zum Abendessen. Nach der Aufführung gibt's noch nette Musik und Anke und Hella tanzen fröhlich Foxtrott. Wir werden mit Autos zum Schlafplatz gefahren, zu Fuß soll es zurück auch nicht weit sein. Vielleicht für Eingeweihte - WIR brauchen morgens 40 min. zum Frühstück in die Meierei (leider sind die meisten Augen noch nicht so weit geöffnet, daß wir wirklich viel von der Stadt sehen können...).
David hat's erwischt; er ist krank mit Fieber und wird nach der Ankunft im "Kühlhaus" (wie passend) gleich erstmal auf dem Sofa geparkt. Wieder mal alles ausladen und aufbauen. Yoks Mutter kommt mit Zitronenkuchen im Gepäck, was einige von uns sehr glücklich macht (Danke Mama Yok!). Die Aufführung läuft mit krankem David, der sich tapfer schlägt. Wir lassen sein Lied einfach weg, da das Stück auch notfalls ohne es funktioniert. Auf dem Weg zum Haus, wo wir schlafen werden, kommen wir an so lustigen kleinen Häusern mit ungewöhnlich geformten runden Dächern vorbei, und wir werden aufgeklärt, daß die Dächer umgedrehte ehemalige Schiffsrümpfe sind - wat et allet jibt...
in die Rote Flora - vertrautes Terrain für viele von uns. Im Auftrittsraum befinden sich schwere Brocken von Podesten dort, wo sich mal unsere Bühne befinden soll. Die Feststellung allein und auch Jammern helfen nicht - die Dinger müssen weg: also nochmal verbliebene Kraftreserven hervorkramen und anpacken - puuh. Zur Aufführung kommen viele Leute, darunter netterweise viele Bekannte, Freunde oder Familie von uns. Auch Ankes Oma hatte ihren Spaß. Hinterher gibt's noch mal ein gekochtes Nachtessen (danke, das war eine tolle Idee!).
Der Tag ist frei, und wir verstreuen uns zwecks individueller Erholung auf unterschiedliche Orte der Stadt.
der Anfang des 6-Tage-hintereinander-ohne-freien-Tag-dazwischen-Spielens. In der "Korn" muss unser Krempel in den ersten Stock - wir schaffen das. Auch hier treffen wir auf alte Bekannte - bei den Veranstalter_innen und auch bei den späteren Besucher_innen. Schön auch, dass Frank, unser alter Revolti und Madprof uns "beehrt" hat. Der Raum in der Korn ist leider etwas zu klein für die Anzahl der Menschen, die rein will. Großes Sorry an die Menschen, die von etwas weiter weg angereist waren und nicht rein kamen! Morgens gibt's noch lecker Frühstück auf dem Hof in lecker Sonne, dann ziehen wir mal wieder los.
spielen wir im Alhambra - einer großen, großen Halle. Bisher waren die Auftritte von Revolte Springen dort nicht ausverkauft. Wir stellen uns also darauf ein, die Halle nicht zu füllen. Der Aufbau geht bei Elektromusik und Süßigkeiten (der Anfang eines tollen Bandcaterings) ohne viele Diskussionen über die optimale Raumnutzung schnell von der Hand. Nappo, Freund und Fotograf der Gruppe, kommt uns besuchen und die Stimmung ist gut - auch dadurch dass sich gegen 20 Uhr abzeichnet, dass wir die riesige Halle diesmal füllen werden. Beim Packen am nächsten Morgen wird klar, dass Ankes Rücken die Buspackerei nicht gut verkraftet hat. Wegen zu starker Schmerzen muss sie wohl oder übel aussetzen um sich für den Auftritt abends zu schonen. mit ABC-Pflaster und Wärmflasche fühlt sie sich trotzdem mindestens so alt wie ihre Rolle "Karl", der Dorfrentner.
ist lang und heiß, alle sind froh, als wir das AZ erreichen. Die riesige Halle erfordert einigen Umbau, um sie in ein Theater zu verwandeln. Außerdem gibt es Oberlichter an der Decke, die abgedeckt werden müssen, damit uns bei der Aufführung das Tageslicht nicht in die Stimmung pfuscht. 2003 bei unseren ersten Auftritten von "Freiheit Satt!" kamen hier an zwei Abenden insgesamt knapp 100 Leute, diesmal sind es an diesem einen Abend erfreuliche"über 200", yeah! Nachdem alles gelungen ist, kann der Auftritt beginnen, zu dem mal wieder viele Freunde, Bekannte und Familie gekommen sind. Nach der Aufführung folgt die Posaune dem Ruf der Schwerkraft, wodurch sich der Zug verbiegt. Anke bleibt gelassen, denn es gibt die Möglichkeit, in Wuppertal eine andere Posaune zu leihen. Der Ausklang des Abends findet auf der Bühne mit ein paar Revolties in dieser Megahalle statt, David spielt was auf der Gitarre, weniger als 10 Leute fühlen sich wohl dabei... Wir übernachten mal wieder in Frau Müllers Haus und zum Frühstück gibt's Rührei und Guacamole, mmmh... Der Krankheitspegel steigt: Anke hat immer noch Rückenschmerzen, Magz bekommt ne Grippe. Zum Glück haben wir heute keine lange Fahrt vor uns und schaffen es sogar, mittags noch ein Blitzlicht zu machen.
holen wir noch die Ersatzposaune in einem Wuppertaler Vorort. Gut, dass es hier und da alte Freunde aus den verwaisten Zusammenhängen der Rotzfrechen AsphaltKultur gibt, danke Reiner! Wir machen mal wieder eine ausgiebige Stadtrundfahrt mit vielen Wendemanövern (Yok fährt vorneweg und hat anscheinend vergessen, dass er seinen Taxischein für Berlin und nicht für den Ruhrpott gemacht hat...). Immer an der Schwebebahn lang finden wir schließlich doch noch das AZ, dass seinen kleinen aber feinen Raum im ersten Stock hat. Mit Hilfe kriegen wir alles Gerümpel da rauf geschleppt und dann auch noch alles aufgebaut ohne Säulenproblematik (insider: erinnert euch an die letzte Tour!). Abends kommt gerade die richtige Anzahl an Zuschauer_innen für den Raum (die von den Veranstalterinnen ausgetüftelte Live-Übertragung in die Kneipe ist doch nicht nötig). Auch hier treffen wir wieder gute Bekannte und liebe Freund_innen; u.a. ist Balou gekommen, der bei diesem Musical leider nicht mitspielen kann, um sich anzuschauen, was wir ohne ihn so veranstalten. Ihm gefällts -trotz Blasphemie. Auch Anja aus Dortmund ist wieder von der Partie wie schon in Mühlheim. Wir schlafen im Haus, was scheinbar mittlerweile wohl eher unüblich ist, aber tapfere Veranstalter_innen legen eine Nachtschicht ein, damit das möglich ist. Bedankt auch dafür!
Der Morgen beginnt missmutig. Schlechte Stimmung beim Frühstück und immer noch einige kranke Revolties... but the show must go on. Wieder alles einpacken und auf nach Erfurt. Die längste Etappe der Tour reißen wir bei Hitze und Stau doch noch irgendwie runter und kommen nach fünfstündiger Fahrt ziemlich platt und leider verspätet beim "Topf&Söhne"-Gelände an. ... und ein abenteuerlicher Abend beginnt: die Verspätung, ein allgemeines Chaos, zwei italienische Hardcore-Bands die nach uns im Nebenraum spielen, ein störrisches Lichtmischpult (ein Hoch auf Meister Lampe!), drei bis vier kranke Revolties und ein ziemlich großer Splitter, der sich in Susis Oberschenkel bohrt (Danke an den spontanen Arzt!) sorgen dafür, dass wir schließlich mit anderthalb Stunden Verspätung die Bühne betreten. Das Publikum, dass zum Glück auf uns gewartet hat, ist sehr nett und wir sind trotz 'ner Menge irrealer Augenblicke ("Das kann doch alles gar nicht auf ein mal passieren!") guter Dinge. Auf Yörgs Jacke stand einmal während der Proben "Revolte macht das schon" - besser kann man den Auftritt in Erfurt wohl nicht überschreiben. Bei vielen in der Gruppe bleibt ein gutes Gefühl zurück, dass wir's trotz Schwierigkeiten meistern können und den Spaß an der Sache trotzdem nicht verlieren. Und das war in diesem Fall ein ein echter Kraftakt der Gruppe. Hat sich aber tatsächlich gelohnt, weil wir dadurch etwas in einen kalten toten Raum gezaubert haben, was dort so noch nicht stattgefunden hat. Immer wieder erstaunlich, was Licht, Musik, Theater für eine Wirkung entfalten können, die die Menschen mitnimmt und beeindruckt.
Zum Gelände von Topf&Söhne ist noch der historische Hintergrund zu erwähnen: hier wurden in der Nazizeit die Entlüftungsanlagen für die Gaskammern in Auschwitz gebaut und leistungsfähige Krematoriumsöfen für verschiedene KZs entwickelt. Es gibt Initiativen vor Ort, die diesen Teil der Geschichte des Geländes unvergessen halten wollen: Förderkreis Geschichtsort Topf&Söhne
Nach einem Frühstück mit den Topf&Söhne-Leuten bauen wir ab, fahren los und ... stehen im Stau. Irgendwie scheint sich die A4 mit der A9 gegen uns verschworen zu haben (gestern Stau, heute Stau). Dabei ist es nach Halle doch eigentlich nicht so weit - aber wir kommen trotzdem richtig spät an. Dadurch kommt der ganze Zeitplan, den sich unsere Organisator_innen ausgedacht haben, durcheinander. Wir verzichten auf Schnittchen und Kaffee bei Radio Corax. Stattdessen flitzen Mogli und Anke zum Interview, der Rest baut auf und die Schnittchen werden - genau wie das Abendessen später - extra zu uns gefahren. Den Starkstrom holen wir uns aus einem 30 Meter entfernten Raum, super Aktion, wenn mensch eh schon keinerlei Bock mehr auf solche Extras hat... aber auch das wird weggeschmunzelt. Der Raum ist klein, aber sehr schön und über Allem schwebt eine "letztes Auswärtsspiel"-Stimmung. Das Publikum, das wieder sehr zahlreich kommt, versüßt uns den Abend, den wir nach dem Abbau noch mit Limo und Bier bei den netten Menschen in der Ludwigstraße ausklingen lassen. Alle sind ganz schön geschafft.
Ausschlafen, feines Frühstück in der Sonne, noch ein Blitzlicht unter Bäumen und auf geht's nach Berlin. Doch auch hier verfolgt uns das Abenteuer: der Tourbus, der sich bisher wacker gehalten hat, hat innerhalb von 15 Minuten zwei Reifenpannen. Die eine meistern wir mit Ersatzreifen selbst, bei der zweiten müssen wir allerdings auf einen wohlbekannten Autofahrer_innenlobbypannendienst zurückgreifen. 5 Leute fahren mit dem Kombi (Yoks "Bluesmobil"!!) schon mal nach Berlin, die anderen 5 fahren mit dem Abschleppwagen in die Werkstatt. Glücklicherweise haben wir Glück im Unglück und können nach anderthalb Stunden mit neuem Reifen und Kaffee im Bauch nach Berlin fahren. Auf uns wartet ein Abend ohne Auftritt - im eigenen Bett schlafen (bis auf Pit, dessen eigenes Bett in Dresden steht) - in Ruhe duschen - Freund_innen und Mitbewohner_innen wiedersehen.
Als wir uns nachmittags am Kato wiedertreffen, fehlen zwei Revolties: Ankes Rücken ist schlimmer denn je und David hat über Nacht die Grippe eingeholt. Nappo ist wieder dabei und springt beim Aufbau mit ein, so dass wir alles trotz Ausfällen auf die Bühne bekommen. Wir bekommen schon vor dem Auftritt viel Besuch von unseren Lieben und Liebsten (Cordula und Noah, Jan, Niko Kistenmeister, Phil und Jörg ...) Um kurz vor Acht ist das Kato brechend voll, es passen leider nicht alle rein, die rein wollten. wir spielen vor 250 Leuten, unter denen auch Phil und Jörg - unsere Regisseure - sitzen, die das Stück das erste Mal nach der Premiere wieder sehen. Einiges hat sich verändert, vieles ist runder geworden, doch den Augen der beiden entgeht nicht, dass wir auch einige Sachen verhuscht oder absichtlich verändert haben... Netterweise haben Leute von AK Kraak die Aufführung gefilmt - Danke an diese und wir sind gespannt, das Stück mal "von außen" zu sehen!
Um 12 Uhr treffen wir uns bei Hella um zusammen zu frühstücken, die Tour nachzubereiten, zu überlegen, was mit dem Überschuss-Geld passieren kann. Die Zeit ist wie immer zu knapp und wir flitzen zum RAW-Tempel um das letzte Mal (...seufz?!) all das Geraffel aufzubauen. Balou ist als "Dernierenscherz" extra nochmal nach Berlin gereist, um beim letzten Auftritt dabei zu sein und überrascht uns im RAW-Tempel. Immernoch ist der Krankenstand in der Gruppe hoch, aber "Revolte macht das schon". Auch im RAW ist es schnell wieder rappelvoll - trotzdem fangen wir mit 40 Minuten Verspätung an - erst fehlte noch eine Requisite, dann fehlte noch ein Schauspieler und schließlich muss ja auch noch kurz Zeit sein für den traditionellen Achterkreis - eine Aufwärmübung, die sich bei Revolte Springen zum Zusammenkommen kurz vor dem Auftritt etabliert hat. Phil wird vor der Bühne nervös, die Anderen gehen hinter der Bühne mit gemischten Gefühlen in die letzte Aufführung... Die Derniere wird ein toller Auftritt, für den nochmal alle ihre mehr oder weniger letzten Energiereserven irgendwoher gezerrt haben, um mit soviel Energie und Spielfreude wie nur möglich die knapp 300 Leute zu bespielen. Beim allerallerletzten Lied ("Mach dich nicht klein statt zu leben") schwanken unsere Gefühle zwischen Erleichterung und Wehmut, Freude und Traurigkeit hin und her.
Hinter uns liegt ein vollgepackter Monat "Klein Statt Leben": zwei Wochen proben in Berlin, 17 Tage Tour mit 14 Auftritten in 12 Städten. Wir haben ungefähr 2000 Leute bespielt, sind rund 2000 Kilometer durch West-, Nord- und Ostdeutschland gefahren. Während dieser Zeit haben wir ungefähr 90 Liter Kaffee und wahrscheinlich eine LKW-Ladung Bionade getrunken, die Bühne 30 mal auf- bzw. abgebaut, was insgesamt mindestens 60 Stunden gedauert hat - ohne Einleuchten allerdings. Wir haben alle ein paar graue Haare und Augenringe mehr, müssen uns erstmal ordentlich ausschlafen (allein in einem Zimmer - nicht mit 9 anderen Leuten drumherum) und wissen aber jetzt schon, dass wir wieder zusammen losfahren und die Bühnen entern werden um unsere poetische Pöbelpop-Provinzposse oder andere Sachen zu spielen. Vielleicht geht es erstmal im Sommer 2008 auf Tour mit Strassenprogramm, was wir in den Jahren 2002, 2004 und 2006 schon gemacht haben. Für "Klein Statt Leben" finden wir frühestens im Herbst 2008 wieder Zeit.
Wir bedanken uns für die viele Unterstützung rund um das Stück und die Tour!
Die Überschüsse dieser Tour gingen an Rote Hilfe/G8, Köpi, Stressfaktor, Hiergeblieben, AK Kraak, Köpidrucke, Schwarzer Kanal, Rigaer 84, Flüchtlingsini.